Flüchtlingsseelsorge
Auch das Dekanat Gießen gewährt Kirchenasyl
Dr. Gabriel Brand, Pfarrer für Gesellschaftliche Verantwortung, erläuterte vor der Dekanatssynode die Praxis des Kirchenasyls.
Kirchenasyl bedeute, Menschen, die von einer Abschiebung in ihre Herkunftsländer oder – wie in den meisten Fällen – in ein anderes europäisches Land bedroht sind (Dublin-Verfahren), aus humanitären Gründen in kirchliche Obhut zu nehmen, bis ihr Fall juristisch überprüft und entschieden wurde. Damit folgt die Kirche, so Pfarrer Brand, einer langen christlich-humanitären Tradition.
Derzeit gibt es Kirchenasyl im ehemaligen Pfarrhaus der Stephanusgemeinde, in der Johannesgemeinde und in einem Fall in der Gesamtkirchengemeinde Gießen Nord (Wieseck).
Kirchenasyle liefen in der Vergangenheit in der Regie der Kirchengemeinden. Seit Januar 2021 wurde das im Dekanat als „Aufgabe des ganzen Dekanats“ neu organisiert. Ehrenamtliche kommen aus verschiedenen Gemeinden. Alle Gemeinden im Dekanat haben die Kirchenasylarbeit finanziell unterstützt.
Seit Januar 2020 wurden nach Angaben von Gabriel Brand 27 Erwachsenen und 13 Kindern Kirchenasyl gewährt. Die Geflüchteten kamen aus Syrien, Afghanistan, Somalia, Eritrea, Iran, Irak und Pakistan. In der Regel waren sie vier bis sechs Monate im Kirchenasyl, einige aber auch deutlich kürzer. Zeitweilig haben bis 10 Personen im Kirchenasyl gelebt. Derzeit sind es 2 Personen.
„Das Kirchenasyl ist immer mit einer Abwägung verbunden. Wir haben viel mehr Anfragen als wir Menschen aufnehmen können. Das macht die Arbeit nicht leicht. Wir können immer nur exemplarisch und punktuell arbeiten.
Warum betreiben wir Kirchenasyle?
Wir kommen dieser alten christlichen Aufgabe nach, Fremde und Verfolgte aufzunehmen.
Kirchenasyl eröffnet uns den Blick in einen gesellschaftlichen Bereich, der den meisten von uns verborgen ist. In dem Bereich kommen wir in Kontakt mit Menschen, die auf dramatische Weise ihrem Schicksal ausgeliefert sind, nicht erst hier in Deutschland.
Wir engagieren uns als zivilgesellschaftliche Akteur*innen im humanitären Bereich auf eine Art und Weise, wie es keinem anderen Akteur möglich ist.“ (Pfarrer Dr. Gabriel Brand)
Der neue Referent der EKHN-Flüchtlingsarbeit und -seelsorge in der Region Nord, Ralf Müller, stellte sich der Synode vor. Einer seiner Schwerpunkte wird es sein, Kirchengemeinden beim Kirchenasyl zu unterstützen. Flüchtlinge im Kirchenasyl haben keinen juristisch gesicherten Status. Verlassen sie die kirchlichen Gebäude, steht ihnen kein Schutz zu. Was kommt auf freiwillige Unterstützer*innen zu?
Einkaufen: Zu allererst müssen die Menschen im Kirchenasyl mit Verpflegung, Hygieneartikeln und weiteren Dingen des täglichen Bedarfs versorgt werden. Die Kosten hierfür werden aus Spenden und Kollekten aufgebracht.
Besuchen und sprechen: Da die Flüchtlinge ihre Kirchenasyl-Wohnung nicht verlassen können, droht Vereinsamung. Besuche, Gespräche, Brettspiele, gemeinsames Kochen usw. können dieser Vereinsamung vorbeugen.
Begleitung von Kindern: Leben Familien mit Kindern im Kirchenasyl, gestatten die Behörden den Kindern oftmals den Schulbesuch. In manchen Fällen ist es ratsam, die Kinder auf dem Weg zur Schule und zurück zu begleiten.
Medizinische und psychosoziale Betreuung: Auch im Kirchenasyl kann man krank werden. Manche Ärzt*innen unterstützen das Kirchenasyl, indem sie eine kostenfreie Behandlung anbieten. Dann muss der Weg organisiert und begleitet werden.
Ralf Müller will in der kommenden Zeit weitere Unterstützer*innen gewinnen, sie umfassend informieren und miteinander vernetzen.
Seine Kontaktdaten:
EKHN-Flüchtlingsarbeit und -seelsorge Region Nord
Ralf Müller, Referent
Südanlage 13
35390 Gießen
flucht.giessen@ekhn.de