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Weihnachten

Das Kind in der Krippe im Dunkel der Welt

Ulrike Scherf, Stellvertretende Kirchenpräsidentin der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau

Die Stellvertretende Kirchenpräsidentin der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau, Ulrike Scherf, wendet sich mit einem Wort zum Weihnachtsfest an die Leser:innen der beiden Zeitungen, Gießener Allgemeine Zeitung und Gießener Anzeiger.

Weihnachtszeit. In vielen Häusern und Geschäften werden Krippenfiguren aufgestellt: Ochs und Esel, eine glücklich lächelnde Maria in blauem Gewand, ein treusorgender Josef mit Wanderstab und über allem ein Engelschor. Mittendrin friedlich: das Jesuskind, rosig und gesund strahlt es aus weißen Tüchern hervor. Eine Szene, in der sich Sehnsüchte erfüllen: Nach Sicherheit, nach Frieden, nach Zusammenhalt in der Familie. Ein Kontrast zu all dem Schrecklichen, das aus Zeitungen und Nachrichten an uns dringt. Ein Gegenbild auch zu den Brüchen und Dunkelheiten in unseren eigenen Lebensgeschichten mit unerfüllten Träumen, ungelösten Konflikten und manchem Schmerz. Das friedliche Jesuskind: Zugleich ist es ein Hoffnungsbild.

Darstellungen von Krippenszenen gibt es seit langer Zeit. Einer Überlieferung zufolge ist der Mönch und Ordensgründer Franz von Assisi im Jahr 1223 zum Urheber einer besonderen Krippe geworden. Im italienischen Bergdorf Greccio holt er am Heiligabend die arme Landbevölkerung zusammen. In einer Grotte errichtet er mit Tieren und Menschen aus dem Ort eine lebendige Weihnachtskrippe. Einige wundersame Erzählungen ranken sich um dieses Ereignis. Jedenfalls mag es wohl da, in der kalten Nacht, inmitten einer rauen Landschaft in unwegsamem Gebiet besonders spürbar geworden sein, was die Botschaft von Weihnachten bedeutet. Gott kommt in die Welt, als kleines, verletzliches Kind in einer unwirtlichen Umgebung, schutzbedürftig und hilflos.

Gott ist von Anfang an da, wo nichts in Ordnung ist. Er begibt sich mitten hinein in die Abgründe der menschlichen Welt, zwischen Menschen, die keinen sicheren Ort haben und am Rand stehen. Dort hinein scheint das Licht von Weihnachten und die Stimme des Engels sagt: „Fürchtet Euch nicht.“ Am Himmel leuchtet der Weihnachtsstern.

Beides gehört zu Weihnachten: Plätzchenduft und Tannengrün, geschmückte Häuser, Freude und Sehnsuchtserfüllung, Weihnachtskrippen. Bilder von Trost und Hoffnung. Und zugleich der Blick auf das Dunkle und Schmerzhafte, in die Angst und Ungewissheit des Lebens. Auch da ist Gott und lässt uns nicht allein: Davon erzählt die Weihnachtsgeschichte.

In diesem Jahr, in dem so vieles auf unserer Welt im Argen liegt und Menschen inmitten von Krieg, Terror und Gewalt ums Überleben kämpfen, da liegt meine Weihnachtshoffnung auch in der Krippe:
Gott sieht die Menschen: Da, wo sich Risse durch die Welt und persönliche Geschichten ziehen. Er sieht, wo Wunden und Narben und Elend sind. Dorthin begibt er sich mit seiner Kraft, die – zart und zerbrechlich wie das Kind in der Krippe – eine Kraft ist gegen Leid und Tod. Ein Licht beginnt zu leuchten. Ich bin froh, dass auch in diesem Jahr das Friedenslicht von Bethlehem seinen Weg in die Welt genommen hat. Dabei bringen Pfadfinderinnen und Pfadfinder es von der Geburtsgrotte im Heiligen Land aus in viele Länder, Kirchen und Häuser. Ein Licht, das von der Hoffnung auf Frieden erzählt. Frieden, den wir so dringend brauchen.

Ich schaue auf das Kind in der Krippe und hoffe, dass sich mit ihm von Weihnachten aus immer wieder neu die Kraft der Liebe einen Weg bahnt. „Gottes Wort ist wie Licht in der Nacht. Es hat Hoffnung und Zukunft gebracht. Es gibt Trost, es gibt Halt in Bedrängnis, Not und Ängsten, ist wie ein Stern in der Dunkelheit“ – so heißt es in einem Liedtext zu einer Melodie aus Israel.

Möge es so sein, auch für Sie. Gesegnete Weihnachten!


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