Fußballfieber
Große Emotionen beim Fußball
„Schon in der Antike diente der Sport zur Unterhaltung und um sich schöne Körper und starke, kämpferische Männer anzusehen“, erklärt Pfarrer Rolf Noormann, Vorsitzender des Arbeitskreises Kirche und Sport in der EKHN und EKKW. „In der Neuzeit dient der Sport ebenfalls der Unterhaltung, aber ein wichtiger Aspekt ist hinzu gekommen: die Fankultur. Gerade in den Sportarten wie Fußball“, erklärt der Pfarrer weiter. Fußball ist ein Sport, den jeder ohne große Vorbereitung ausüben kann. Der Ball kann fast überall gekickt werden, auf der Straße, im Feld oder im Park. Die gemeinsamen Spielregeln sind relativ einfach zu verstehen und es wird im Team gespielt. „Das sind wichtige Voraussetzungen, um Begeisterung auszulösen, bei Spielern und Fans. Wenn ich selbst das Spiel verstehe und ihm folgen kann, ist die erste Hürde genommen und die Emotionen kommen von ganz alleine“, weiß Noormann.
Fußball schafft Gemeinschaft
Das Gemeinschaftsgefühl, dass Fußball schafft, wird einerseits von den Medien gefördert. Keine andere Sportart in Deutschland wird von den Medien so sehr unterstützt und angekurbelt. „Im Wesentlichen geht es dabei um zwei Dinge: Für die Vereine stellen die Medien eine sehr gute Verdienstquelle dar. Für die Fans entsteht eine eigene Kultur, die Gemeinsamkeit schafft beim Public Viewing, am Stammtisch oder im Stadion“, so Noormann.
Die Fangemeinden stärken aber auch selbst das Gemeinschaftsgefühl. Die Fans sind in großen Gruppen unterwegs, studieren Fangesänge und Stadionchoreografien ein und die Euphorie geht von einem Fan auf den anderen über. Das schafft Glücksgefühle und Begeisterung untereinander und miteinander.
„Es ist nur ein Spiel“
Damit sich diese Begeisterung in starke Emotionen wie Ärger, Trauer oder Freude wandeln kann, ist ein Punkt besonders wichtig: Die Bedeutungslosigkeit des Spiels. „Für den Großteil der Zuschauer und Fans ist Fußball nur ein Spiel. Das bedeutet, dass es sich dabei nicht um den Ernst des Lebens handelt. Es ermöglicht den Fans, sich ihren Emotionen überlassen zu können, ohne dass sie in ihrem privaten oder beruflichen Umfeld mit Konsequenzen rechnen müssten“, erklärt Noormann. Gewinnt oder verliert der Lieblingsverein oder die Nationalmannschaft, können die Fans in der Gemeinschaft mitfeiern oder mittrauern. Die persönlichen Lebensumstände sind dabei nicht betroffen. Für viele Fans ist das ein sehr wichtiger Aspekt, um ihre Gefühle auszudrücken. „Zwar ist man als Fan dann für einige Stunden oder vielleicht sogar für ein paar Tage z.B. im Freudentaumel, wenn man an die WM 2014 denkt, als Deutschland Weltmeister geworden ist. Trotzdem kehrt nach einiger Zeit der normale Alltag wieder ein“, erklärt Noormann.
Am Ball bleiben durch ungewissen Ausgang
Gerade weil sich die persönliche Lebenssituation für die Fans nicht ändert, können sie während den Fußballspielen mitfiebern und sich von der Spannung mitreißen lassen. Vor allem bei großen Turnieren, wie der Europa- oder Weltmeisterschaft ist der Spannungsfaktor für die Fans extrem hoch. „Zwar gibt es Vereine, die die Favoritenrollen innehaben, aber letztlich spielt auch eine Portion Glück eine Rolle bei den Turnieren. Und da kann es schon mal vorkommen, dass David Goliath besiegt, beispielsweise als Leicester City die englische Meisterschaft gewonnen hat“, so Noormann. Diese Überraschungen und das Quäntchen Glück machen den Fußball so spannend und emotionsreich für die Fans.
Gewalt ist die Ausnahme
„Manche Menschen nutzen solche Sportveranstaltungen auch als Ventil. Diese Leute kennen dann meist keine Grenzen, sind aggressiv und sehen nur den eigenen Verein“, sagt Noormann. Bei diesen Fans handelt es sich aber um Randgruppen. Die meisten Fans möchten das Spiel sehen, weil es ihnen Spaß macht und Freude bereitet – und das ohne Gewalt. Gerade wenn es zu Gewalttätigkeiten im Stadion kommt, werden die Vereine, denen die Fans angehören, bestraft und müssen teilweise hohe Geldstrafen zahlen. „Manchmal vergessen die Fans, dass die Fußballer auch nur ganz normale Menschen sind, die mit diesem Sport ihr Geld verdienen. Dann kann die Enttäuschung über einen Spieler des Lieblingsvereins schon mal in Wut überschwappen, wenn er zu einem anderen Verein wechselt“, erklärt Noormann.
Fußball als Integrationshilfe
„In den Stadien, aber auch in den einzelnen Mannschaften, spiegelt sich unsere Gesellschaft wieder, mit ihren positiven und negativen Seiten“, weiß Noormann. Deshalb erinnern Vereine immer wieder daran, fair miteinander umzugehen. Fairness ist im Spiel ist wichtig, ebenso in der Gesellschaft. „Fußball ist der Sport, der in Deutschland die größte Integrationskraft hat. Vereine sprechen sich explizit für Fair Play und gegen Rassismus aus und viele Vereine fördern soziale Projekte“, erklärt Noormann.
In den letzten Jahrzehnten ist die Fankultur stark gewachsen. Immer mehr Menschen strömen in die Stadien, zum Public Viewing oder treffen sich mit Freunden, um gemeinsam mitzufiebern, wenn die Spieler der Lieblingsmannschaft auf dem Platz stehen. Auch zur kommenden Europameisterschaft wird das wieder der Fall sein.
[Lea Biskup]
Pfarrer Rolf Noormann ist Vorsitzender des „Arbeitskreises Kirche und Sport in der EKHN und EKKW”. Der Arbeitskreis fördert christliches Leben im Sport und erinnert daran, dass wir Menschen ein Ganzes nach Leib und Seele sind. Werte wie Frieden, Gerechtigkeit und Menschenwürde sollen auch im Sport realisiert werden.
www.kirche-und-sport-ekhn.de