Reformationstag: Solidarität mit Juden
„Was an diesem Tag in Israel geschehen ist, war ein antisemitisches Pogrom“, unterstreicht der evangelische Dekan André Witte-Karp. Durch seine historische Abgrenzung vom Judentum und dem theologischen Überlegenheitsanspruch gegenüber Juden sei das Christentum „verstrickt in diese Gewalt- und Todesgeschichte des Antisemitismus“. Das gelte es gerade am Reformationstag klar zu benennen, so Witte-Karp.
Nach der Schoah haben die Kirchen erst Schritt für Schritt neu entdeckt, wie eng christliche Identität mit dem jüdischen Glauben verbunden ist. „Wir als Kirche sind in die Verantwortung gerufen, dass sich Jüdinnen und Juden sicher wissen.“ Nach dem nationalsozialistischen Völkermord sei das ohne den Staat Israel nicht mehr denkbar.
Am Reformationstag, 31. Oktober, erinnert die evangelische Kirche an die Erneuerung der Kirche durch Martin Luther und dessen Bibelübersetzung in die deutsche Sprache. Am 31. Oktober 1517 veröffentlichte er 95 kirchenkritische Thesen, die letztlich zur Herausbildung evangelischer Kirchen und zur Trennung von der katholischen Kirche führte. Heute sind Christen und Kirchen beider Konfessionen um Gemeinsamkeiten und Zusammenarbeit bemüht.
Witte-Karp predigt im Gottesdienst um 19 Uhr in der Johanneskirche.
Unkonventioneller Reformationsgottesdienst in der Alten Kapelle
Zur selben Zeit laden die Gemeinden in Gießen Ost in die Kapelle auf dem Alten Friedhof, Licher Straße, zu einem unkonventionelleren Abend mit Gottesdienst und Weinprobe ein. Pfarrerin Sonja Löytynoja weist daraufhin, dass auch für Martin Luther die Lebensfreude bedeutsam war. So soll er gesagt haben: Gott steht nicht mit dem Knüppel hinter dir, sondern mit einem Glas Malvasier vor dir. „In Kooperation mit der „Weinstube Gießen“ und musikalisch begleitet von Lasse Löytynoja und Peter Herrmann werden wir gemeinsam beten, singen und Saft und Wein schmecken“, lädt Pfarrerin Löytynoja ein.
Sondervorstellung eines Dokumentarfilms über ein jüdisches Jahrhundertleben
Eine neuerliche Sondervorstellung des Dokumentarfilms „Walter Kaufmann - Welch ein Leben! Ein Jahrhundertleben in 101 Minuten“ im Kinocenter, Bahnhofstraße 34, 35390 Gießen, präsentieren die Jüdische Gemeinde Gießen, der Freundeskreis der Jüdischen Gemeinde Gießen e.V. und das Evangelische Dekanat Gießen am Montag, 30. Oktober, 19.30 Uhr. Der Film beleuchtet das Leben des jüdischen Schriftstellers Walter Kaufmann, der durch den Kindertransport nach England gerettet wurde, dessen Eltern jedoch in Auschwitz ermordet wurden. Im Leben des 1924 in Berlin geborenen und 2021 im Alter von 97 Jahren gestorbenen Romanautoren, Seemanns, Korrespondenten und politischer Aktivisten spiegeln sich herausragende historische Ereignisse des 20. Jahrhunderts, auch der jahrzehntealte israelisch-palästinensische Konflikt, wider. „Walter Kaufmann war ein Mann, der die Welt begreifen, beschreiben, verändern wollte“, sagt die Regisseurin Karin Kaper, die bei der Kinoverführung anwesend sein wird.
Außerdem gibt es eine zusätzliche Schulvorführung im Kino am 31. Oktober.