Klinikseelsorge
Trost am Krankenbett
Bei einem Krankenhausaufenthalt stimmt für viele Patienten nichts mehr. Vieles im Leben ist aus den Fugen geraten, das vorher selbstverständlich war. Teile des Körpers funktionieren nur noch eingeschränkt oder schmerzen. Das Bett steht an einem falschen Ort. Das Zimmer teilt man sich mit einem wildfremden Menschen. Ängste und Sorgen bestimmen das Denken und Fühlen. Da ist es gut, Klinikseelsorgenden zu begegnen, die ein offenes Ohr haben und Trost geben.
Plötzlich die Konfrontation mit dem Sterben
„Wir sprechen oft mit Menschen an Wendepunkten ihres Lebens“, erzählt Diakon Julian Gick, evangelischer Klinikseelsorger im Uniklinikum Gießen. „Gewohntes bricht weg, manches wird nicht mehr sein wie vorher, das Leben krempelt sich um. Oder endet auch.“ Plötzlich müssen sich Menschen und ihre Angehörigen mit Leid oder mit Sterben und dem Tod auseinandersetzen.
Gick begleitet immer wieder Abschiede mit und erzählt etwa vom Kontakt zu den Angehörigen einer jungen Frau, die auf der Intensivstation gestorben ist. Als auf der Kinderstation ein Säugling nach der Geburt gestorben ist, war er für die Eltern da. Er hat Patienten begleitet, die ein Bein durch eine Amputation verloren haben oder Menschen, die über Monate im Klinikum mit schwerwiegenden Diagnosen lagen. Sein Weg führt Gick regelmäßig in die Chirurgie, die Kardiologie, die Nephrologie sowie auf mehrere Intensiv- und Zwischenintensivstationen.
Zu seinem Aufgabenbereich gehört außerdem die regelmäßige Übernahme der Rufbereitschaft, die gemeinsam durch das evangelische und das katholische Team der Klinikseelsorge verantwortet wird. Dabei ist in dringenden Fällen rund um die Uhr jemand von der Klinikseelsorge erreichbar.
Begleitung bei der Suche nach Orientierung
Seine Kollegin, Pfarrerin Kathleen Niepmann, begegnet etwa Menschen , die an Krebs erkrankt sind oder auf der Palliativstation betreut werden. Manchmal geht es im Gespräch einfach nur um den zurückgelassenen Garten und die Sorge, wer ihn nun pflegt. Es kann aber auch die Frage sein: „Wie kann es mir gelingen vor meinem Tod noch ein paar gute Tage mit meiner Familie zu verbringen und den Menschen, die ich liebe, Gutes zu sagen?“
Die Pfarrerin versucht, Menschen bei ihrer Suche nach Orientierung und Antworten zu begleiten. „Ich erzähle - wenn sie es möchten - von meinem Glauben, meiner Zuversicht, aber auch von meinen eigenen Zweifeln.“ Darum geht es auch in Gesprächen mit Menschen, die keiner christlichen Kirche, einer anderen Religionsgemeinschaft angehören oder nicht glauben.
Kathleen Niepmann und Julian Gick arbeiten erst seit diesem Jahr in der Klinikseelsorge in Gießen. Gick, der Anfang des Jahres begonnen hat, studierte Soziale Arbeit mit gemeindepädagogisch-diakonischer Qualifikation und Religionspädagogik. Zuletzt war er Gemeindepädagoge in der Evangelischen Kirchengemeinde Oberbiel und hat dort die Arbeit mit Kindern, Jugendlichen und Konfirmanden verantwortet.
Niepmann, die im Sommer ans Klinikum und das katholische St. Josefs Krankenhaus kam, hat nach dem Theologiestudium in den neunziger Jahren eine journalistische Ausbildung beim Gießener Anzeiger absolviert. Lange leitete die Pfarrerin die Presse- und Öffentlichkeitsarbeit der Diakonie Hessen. Es folgten Tätigkeiten im Stadtdekanat Frankfurt und Offenbach. Zuletzt war sie im Vertretungsdienst in zwei Kirchengemeinden und bei der Ökumenischen Telefonseelsorge.
"Wir bringen Zeit mit"
Nun ein neuer Einsatzort. Hier geht es nicht um Schnelligkeit wie im Journalismus. Im Gegenteil. „Wir bringen in der Klinikseelsorge Zeit mit, weil wir nicht im getakteten System stecken, wo in einem festen Zeitrahmen klinische Abläufe geschehen müssen.“ Und sie bringen, weil sie keine Diagnosen stellen und keine Therapie durchführen, einen anderen Blick auf das Leben und manchmal auf das Sterben mit.
Niepmann hat hohen Respekt vor der anspruchsvollen und anstrengenden Arbeit des ärztlichen Personals und der Pflegeteams. Auch mit ihnen kommt sie ins Gespräch, „denn die Mitarbeitenden, die das Leiden begleiten, lassen ihre Gedanken ja nicht so einfach in der Tasche des Kittels stecken, den sie abends ausziehen". Auch mich berühren natürlich das Leiden und der Tod von Patienten und Patientinnen, die ich begleitet habe, sagt sie.
Zuhören und trösten kostet Kraft
Zuhören, einfühlen und trösten kostet viel Energie und Kraft, sagt Diakon Gick. Traurige und belastende Erlebnisse zu verarbeiten, dabei helfen beiden der Austausch mit den Kolleginnen und Kollegen. Niepmann schätzt darüber hinaus als Ausgleich Meditation und Bewegung. Für Gick sind es auch seine beiden kleinen Kinder, die für viel Abwechslung sorgen, oder die handwerklichen Arbeiten am eigenen Haus.
Einführung am 4. Advent
Vor allem aber fühlen sich beide im Team der Evangelischen Klinikseelsorge Gießen, insgesamt vier Pfarrerinnen und zwei Diakone, gut aufgehoben. Von Dekan André Witte-Karp und den KollegInnen werden sie am Sonntag, 18. Dezember, 4. Advent, um 10 Uhr in einem Gottesdienst in der Ev. Petruskirche, Wartweg 9, offiziell in ihren Dienst eingeführt.