Gottesdienst für Politiker
Neuer Landtag: Kirchen mahnen faire Debatten an
Eine „faire politische Debattenkultur“ hat die Stellvertretende Kirchenpräsidentin der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau, Ulrike Scherf, zu Beginn der neuen Legislaturperiode des Hessischen Landtags am Freitag in einem ökumenischen Gottesdienst angemahnt. Der Diözesanadministrator des Bistums Fulda, Weihbischof Prof. Dr. Karlheinz Diez, erinnerte in seiner Ansprache daran, dass „das Festhalten an Gewaltlosigkeit Berge versetzen und Mauern öffnen kann“. Zu einer fairen Debattenkultur gehörten „das Hören aufeinander und das Ernstnehmen und Bedenken der Argumente des Gegenübers“, sagte Scherf am Freitagmorgen (18. Januar) in der Wiesbadener Marktkirche beim traditionellen ökumenischen Gottesdienst im Vorfeld der konstituierenden Sitzung des Landtags.
Weichen stellen, Teufelskreise durchbrechen
Scherf verwies in ihrer Predigt auch auf die hohe Verantwortung von Politikerinnen und Politikern. So gehöre es nicht nur zu deren Aufgaben, „darum zu ringen, was ganz konkret möglichst gute Lebensbedingungen der Bürgerinnen und Bürger in Hessen gewährleistet und welche Weichenstellungen für die Zukunft wichtig und richtig sind.“ Sie seien zugleich „Vorbild für das gesamte gesellschaftliche Klima“. Der Fuldaer Weihbischof Diez erinnerte an die friedlichen Demonstranten gegen Ende der DDR-Zeit, die den Teufelskreis von Gewalt und Gegengewalt durchbrochen hätten. „Sie haben den Frieden gesucht und ihn konsequent ‚durchgezogen‘.“ Neben all den gewalttätigen Auseinandersetzungen im Kleinen und im Großen gebe es immer wieder Bemühungen um friedliche Lösungen, um das Beilegen von Gewalt. „Wo Frieden einzieht, gibt es nur Gewinner“, stellte er heraus.
Nicht alles alleine meistern müssen
Scherf ging zugleich auf die hohen Anforderungen ein, die heute an Politikerinnen und Politiker gestellt würden. Nach Ansicht Scherfs schenkt Gott politisch Verantwortlichen ebenso wie allen Menschen Gaben, die sie in die Welt einbringen könnten. Diese Einsicht bewahre zugleich vor der Selbstüberschätzung, „alles alleine meistern zu müssen“. Alle könnten darauf vertrauen, „dass Gott uns in unseren Aufgaben nicht alleine lässt“. Scherf: „Wie auch immer die Arbeit in Landtag und Regierung, in Wahlkreis und Fraktion verlaufen wird, mit meinen Fragen und Zweifeln, meiner Suche nach Wegen: Ich kann mich an Gott wenden und um seinen Beistand bitten - im Gottesdienst, im persönlichen Gebet, im Innehalten und Atemholen.“
Alle sind mit Gottes Würde ausgezeichnet
In ihrer Predigt hob Scherf auch die Bedeutung des biblischen Begriffs Frieden hervor. Im Hebräischen stehe dafür das Wort „Schalom“, das nicht nur für das gesellschaftliche oder menschliche Miteinander stehe. Nach biblischer Überzeugung schlösse der Frieden das Wohl und das Heil der gesamten Schöpfung mit ein, die in der Erfüllung von Gerechtigkeit gipfelten. Grundlage des Friedens und der biblischen Gerechtigkeit seien immer der Respekt und die Achtung jedes Menschen gegenüber. Jeder Mensch sei von Gott geschaffen und „als Gottes Ebenbild mit Würde ausgezeichnet“, so Scherf. Die Stellvertretende Kirchenpräsidentin der hessen-nassauischen Kirche hatte das evangelische Jahresmotto für 2019 „Suche Frieden und jage ihm nach!“ (Psalm 34,15) in den Mittelpunkt ihrer Überlegungen gestellt.
Friedensbotschaft der Bergpredigt auch heute aktuell
Die Bergpredigt Jesu beschreibe laut Weihbischof Diez für viele ein Ideal, das nicht recht passe zu den harten Fakten, zu mühsamen Verhandlungen und Auseinandersetzungen, zum Umgang mit Fakenews, zu den Unruheherden, zu Fanatismus und den Kriegen dieser Welt. Viele meinten: „Um gesellschaftlich und politisch etwas zu erreichen, braucht es klare Fronten; ohne eine gewisse Härte kommt man nicht weiter.“ Doch seien das alltägliche Leben in Politik und Gesellschaft und die friedvollen Weisungen der Bergpredigt durchaus keine Gegensätze. Jesus habe sich mit seinen Worten an alle, die ganze Weltgemeinschaft, gerichtet. „Für Jesus Christus sind die Weisungen der Bergpredigt, hier in unserem Kontext das Wort vom Friedenstiften, keine Utopien. Sie sind Auftrag und Verheißung an uns“, zeigte sich Diez überzeugt.
Frieden im respektvollen Miteinander
Frieden beginne immer bei einem selbst, im täglichen respektvollen Miteinander in der Familie und am Arbeitsplatz, „auch wenn im politischen Alltagsgeschäft inhaltlich vielleicht Meilen trennen“. Es sei Jesus um eine Haltung gegangen, die eine echte Begegnung erst möglich mache. „Wo echte Begegnung stattfindet, wächst Frieden.“ Der Friede Jesu Christi berge die Kraft der Versöhnung und den Mut, aufeinander zuzugehen. Jesus Christus habe seine Grundhaltung der Versöhnung und des friedlichen Miteinanders immer gelebt. „Er entzieht dem Herzen die Waffen, indem er mit Ruhe den Finger eben nicht in die Wunden legt, sondern Wege zum Miteinander, zum Erkennen der eigenen Schwäche aufzeigt, durch die der Mensch bereit wird, zu verzeihen.“ Er grenze Menschen niemals aus, sondern nehme sie in die Gemeinschaft auf, hob Diez hervor.
Hintergrund Gottesdienst
Anlässlich der neuen Legislaturperiode des Hessischen Landtags findet in Wiesbaden traditionell ein Gottesdienst in der gegenüber dem Landtag gelegenen Marktkirche statt. An der öffentlichen Feier nehmen vor allem Politikerinnen und Politiker sowie Beschäftigte der Hessischen Landesregierung teil. Den Gottesdienst gestaltete neben der Stellvertretenden Kirchenpräsidentin der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau, Ulrike Scherf und dem Fuldaer Diözesanadministrator, Weihbischof Prof. Karlheinz Diez, Oberkirchenrat Jörn Dulige, Domkapitular Wolfgang Pax sowie Pfarrer Holger Saal. Musikalisch begleiteten die Feier der Wiesbadener Knabenchor unter der Leitung von Roman B. Twardy sowie Thomas Frank an der Orgel.