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Positionen von Parteien und Kirchen

Soll sich die Hessische Verfassung auf Gott beziehen?

Titelblatt, Hintergrund rot-weiß (Hessische Fahne)

Titelblatt der Publikation der Verfassung des Landes Hessen durch die (US-)Militärregierung für Hessen, Wiesbaden, 1946

„Im Bewusstsein seiner Verantwortung vor Gott und den Menschen”: So beginnt die Präambel des Grundgesetzes, doch in der hessischen Landesverfassung fehlt ein solcher Gottesbezug. Die CDU sowie die beiden großen christlichen Kirchen im Lande wollen das ändern und dazu die ohnehin anstehende Verfassungsreform nutzen.

Von Gerhard Kneier (epd)

Doch bislang stehen sie mit ihrer Forderung noch alleine. FDP und Linke lehnen die Aufnahme eines Gottesbezugs in die Präambel der hessischen Verfassung dezidiert ab. SPD und Grüne haben sich noch nicht entschieden, sind aber zumindest zögerlich.

Änderung der Präambel umstritten

Bei der Verabschiedung der Landesverfassung im Jahr 1946 wurde die Präambel ganz kurz gefasst. „In der Überzeugung, daß Deutschland nur als demokratisches Gemeinwesen eine Gegenwart und Zukunft haben kann, hat sich Hessen als Gliedstaat der deutschen Republik diese Verfassung gegeben”, heißt es bislang darin lediglich. Ob an dieser Präambel überhaupt etwas geändert werden soll, ist in der vom Hessischen Landtag eingesetzten Enquetekommission umstritten.

Verfassung ist reformbedürftig

Klar ist nur, dass die Verfassung insgesamt als reformbedürftig gilt. Enthält sie doch noch immer Bestimmungen, die im Widerspruch zum Grundgesetz stehen und damit rechtlich überhaupt keinen Bestand haben. Das gilt vor allem für Artikel 21 über strafrechtlich Verurteilte, der nach wie vor mit dem Satz endet: „Bei besonders schweren Verbrechen kann er zum Tode verurteilt werden.” Da im Grundgesetz genau das Gegenteil steht, muss das zwar in Wahrheit auch in Hessen kein Angeklagter befürchten. Doch sind sich die Parteien darüber einig, den überholten Artikel endlich zu streichen.

Verfassungsänderung per Volksabstimmung

In vielen anderen Punkten aber sind die Landtagsparteien durchaus unterschiedlicher Ansicht, was sie dem Volk am Tag der nächsten Landtagswahl voraussichtlich Ende 2018 zur Abstimmung vorlegen. Eine solche Volksabstimmung ist bei Verfassungsänderungen in Hessen zwingend vorgeschrieben, und die Parteien streben daher einen möglichst großen Konsens bei der Reform des Paragrafenwerks an. Die evangelische und katholische Kirche stellen ihre Forderung nach Aufnahme eines Gottesbezugs daher auch nur für den Fall, dass auch die Präambel reformiert wird.

CDU für Gottesbezug

Klar auf ihrer Seite haben sie dabei die CDU. Wie im Grundgesetz hat sie die Formulierung vorgeschlagen, „im Bewusstsein seiner Verantwortung vor Gott und den Menschen” habe sich Hessen diese Verfassung gegeben. Dies sei eine Absage an totalitäres Handeln, da mit einem Gottesbezug menschliches Handeln nicht absolut gesetzt werde, begründet der CDU-Obmann im Verfassungskonvent, Christian Heinz. So hatte bei einer Anhörung im Hessischen Landtag auch der Göttinger Rechtsprofessor Christian Starck argumentiert.

Um Bedenken zu begegnen, haben die Vertreter der beiden christlichen Kirchen im Verfassungskonvent, Jörn Dulige von der evangelischen und Wolfgang Pax von der katholischen Kirche, inzwischen einen modifizierten Vorschlag eingebracht. Er greift die Formulierung auf, die vor Jahren der damalige Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland, Wolfgang Huber, und der damalige Vorsitzende der katholischen Deutschen Bischofskonferenz, Kardinal Karl Lehmann, in der Debatte über eine europäische Verfassung gemacht hatten: „In Verantwortung vor Gott und den Menschen sowie in Achtung der Freiheit des Gewissens”.

FDP: "Religion ist Privatsache"

Ein solcher Gottesbezug würde nach Ansicht von Pax die Grenzen menschlichen und staatlichen Handelns betonen. Auch er sieht darin eine „Absage an alle totalitären Staatsformen”. Da etwa 60 Prozent der Hessen Mitglied einer Kirche sind, sei die Formulierung auch nicht anachronistisch, und außerdem beinhalte sie ja nicht allein ein christliches Gottesverständnis. Der FDP-Politiker Jörg-Uwe Hahn argumentiert dagegen: „Über 70 Jahre haben die Hessen ohne den Gottesbezug in der Verfassung gelebt, ohne dass sich die christlichen Kirchen in ihrer Handlungsfähigkeit eingeschränkt gefühlt haben.” Und für Ulrich Wilken von der Linken gilt klipp und klar: „Religion ist Privatsache und hat in der Verfassung nichts verloren.”

SPD und Grüne diskutieren noch

Differenzierter sieht das der SPD-Obmann im Verfassungskonvent, Norbert Schmitt. „Wir nehmen das Anliegen der Kirchen sehr ernst”, sagt er, allerdings sei der Gottesbezug auch das Thema, das bei den Bürgerforen zur Verfassungsänderung und in Schreiben an die Fraktionen am kontroversesten diskutiert werde. Wie der SPD-Mann betont auch die Grünen-Abgeordnete Karin Müller, dass in ihrer Partei die Meinungsbildung zu diesem Thema noch nicht abgeschlossen ist. „Es gibt christliche und säkulare Grüne”, sagt sie, doch die Fraktion neige dazu, gar keine Änderung an der Verfassungspräambel vorzunehmen.

Bis zum Jahresende soll eine Vorentscheidung fallen, damit der Gesamtvorschlag zur Verfassungsänderung rechtzeitig vor der Volksabstimmung im Herbst 2018 vorliegt. Bislang ist ein Gottesbezug sowohl im Grundgesetz als auch in sieben der 16 deutschen Länderverfassungen enthalten.

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