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Tagung der Dekanatssynode

Zukunft der Kirche

Dekanatssynode Gießen mit Corona-Abstand

Kirchliches Leben ist auch unter Corona-Beschränkungen möglich, hat sich jedoch stark verändert und bereits andere Formen gefunden, erklärte der Vorsitzende des Evangelischen Dekanats Gießen, Gerhard Schulze-Velmede, am Freitagabend bei der Tagung der Dekanatssynode.

Die Pandemie habe zu „vielen ungewohnten Erfahrungen“ in Kirche und Gesellschaft geführt, so Schulze-Velmede in seinem Bericht an die rund 80 Vertreter von Kirchengemeinden und kirchlichen Einrichtungen in und um Gießen. Das Kirchenparlament tagte wegen der geltenden Hygiene- und Abstandsregeln im Bürgerhaus Wieseck.

Gottesdienste werden derzeit seltener gefeiert, sind kürzer geworden und haben einen anderen Charakter bekommen, so der Dekanatsvorsitzende. Vermisst werde von den Kirchenmitgliedern aber das gemeinsame Singen ebenso wie die Gemeinschaft in den Kirchenchören, die Gemeindefeste, Kirchenkonzerte und Jugendfreizeiten. Konfirmationsfeiern und Trauungen wurden und werden verschoben. Seelsorge am Krankenbett und im Altenheim müssten andere Formen finden.

Abbrüche und Aufbrüche im kirchlichen Leben

Doch seien während des Lockdowns Menschen „neu oder anders“ erreicht worden, mit dem abendlichen Glockenläuten, mit den offenen Kirchen als Ort der stillen Einkehr oder mit Andachten im Internet oder Gottesdiensten unter freiem Himmel. Der Dekanatsvorsitzende bezeichnete das „als Chance“ für die Kirche.

In den nächsten Monaten werde sich herausstellen, „wo es zu Abbrüchen kommt, wenn ein Kirchenchor nicht wieder zusammenfindet oder Menschen den Kontakt zu ihrer Gemeinde verlieren“. Doch werde sich auch zeigen, „wo es in der Krise und nach der Krise zu Aufbrüchen kommt, dass Menschen erfahren, wie Kirche sie vielleicht in anderen Formen anspricht, dass die gute Botschaft von der Liebe Gottes weiter vernehmbar bleibt“.

Finanzielle Verluste durch Corona

In seinem Bericht wies der Dekanatsvorsitzende auch auf finanzielle Verluste und einen höheren Arbeitsaufwand durch Corona hin. So seien die Leitungen der 20 Evangelischen Kindertagesstätten und die im Dekanat dafür Verantwortlichen währen der verordneten Schließzeiten in hohem Maß gefordert gewesen. „Es waren die staatlichen Vorgaben umzusetzen, die ständig geändert und zudem sehr kurzfristig erlassen wurden.“ Das gelte, so der Vorsitzende, sowohl für den Notbetrieb der Kitas als auch die Rückkehr zum Regelbetrieb; die Entscheidung, welche Eltern in systemrelevanten Bereichen tätig waren und welche Mitarbeiterinnen als Angehörige einer Risikogruppe zu Hause bleiben sollten. „Es gab und gibt eine ständige Erstellung und Anpassung von Schutzkonzepten.“

Auch die Evangelische Familien-Bildungsstätte des Evangelischen Dekanats habe seit Beginn der Pandemie „erhebliche Einschränkungen“ und finanzielle Einbußen erlitten, weil Kurse eine Zeitlang überhaupt nicht und jetzt auch nur mit verringerter Teilnehmerzahl stattfinden könnten. Digitale Angebote könnten das kaum ausgleichen.
Der vollständige Bericht als PDF-Download

In zehn Jahren 20 Prozent weniger Mitglieder

Die Stabilität und Zukunftsfähigkeit der Evangelischen Kirche ist nicht nur von Corona bedroht. Der Kirche steht in zehn Jahren ein Viertel weniger Geld zur Verfügung. Der Hauptanteil fließt in Personalkosten und die Bauunterhaltung für Kirchen und zahlreiche Gemeindehäuser. Der kontinuierliche Mitgliederrückgang und der damit einhergehende Verlust von Kirchensteuern habe inzwischen erhebliche Auswirkungen, so der Theologe, Dr. Steffen Bauer. Er leitet die Ehrenamtsakademie der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau.

Die EKHN rechne mit dem Verlust von einem Fünftel der Mitglieder in zehn Jahren. Bis dahin müsse der jährliche Haushalt von rund 700 Millionen Euro um 140 Millionen Euro reduziert werden. Dafür verantwortlich macht der Theologe den seit Jahren zu beobachtenden Bedeutungsverlust von Glauben und die gesunkene Bereitschaft der Menschen sich an Institutionen zu binden. Das seien „Megatrends der Gesellschaft“, von denen allerdings auch Vereine und Parteien betroffen seien.

Zukunft der Kirche als „Erzählgemeinschaft“

Der Theologie Bauer beobachtet, dass unter Christen in Deutschland „die Rede von Gott verstummt“ sei. Selbst in Kirchenvorständen sei es keineswegs selbstverständlich, dass man sich neben Verwaltungsangelegenheiten auch miteinander über den eigenen Glauben austausche. Die Kirche habe nur als „Erzählgemeinschaft“ eine Chance. Christen müssten sich intensiver auf die Wirkung ihrer Geschichten besinnen und „mutig von sich selbst, ihren Glaubenserfahrungen und Gott erzählen“. Kirchengemeinden sollten auch in ihrem Gemeinwesen stärker darauf schauen, die Lebenswelt gemeinsam mit den Menschen außerhalb der Gemeinde zu entdecken.

Um PfarrerInnen und die Verantwortlichen in den Gemeinden dafür von Verwaltungsaufgaben zu entlasten, empfiehlt Bauer, professionelleres Gemeindemanagement. Benachbarte Kirchengemeinden müssten beispielsweise ihre Büros zusammenlegen und die dabei eingesparten Mittel für qualifizierte Verwaltungsangestellte einsetzen können. Die Struktur, dass es in jedem Stadtteil und Dorf eine eigenständige Kirchengemeinde gebe, sei überholt.


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